zurŸck Ê SDS-Website Ê Modern Times: Dutschke = Hitler? Hatte Josef Bachmann doch recht, als er Ostern 68 auf Rudi scho§? Es geht das GerŸcht um, Bachmann habe in Rudi Dutschke den kommenden Hitler gesehen und ihn deshalb umbringen wollen. Eine spŠte Rechtfertigung wird diesem debilen Arbeiter aus Peine durch Horst Mahler und dessen neu-rechte Freunde zuteil. Mahler, Rabehl und Co sehen nach mehr als 30 Jahren die 68iger Bewegung, die APO und den SDS als "nationalrevolutionŠre Bewegung", die nichts anderes wollte als beispielsweise Heydrichs SS: "die nationalrevolutionŠre Volks- gemeinschaft". O-Ton Mahler: "In der tragischen Ermordung des ArbeitgeberprŠsidenten Hans-Martin Schleyer traf der Waffen-SDS einen SS-Mann, der die Position der nationalrevolutionŠren Volksgemeinschaft zugunsten derjenigen des AnfŸhrers eines Klassenkampfverbandes verraten hatte" (Mahler/Maschke/Oberlercher, Kanonische ErklŠrung zur Bewegung von 68, Ende 1998). O-Ton Rabehl: "So gesehen gehšrten die "NationalrevolutionŠre" Dutschke und Rabehl zu keinem Zeitpunkt zur traditionellen Linken" (Bernd Rabehl, Rede vor der mensurschlagenden Burschenschaft Danubia, abbgedruckt in Junge Freiheit Nr. 51/98 vom 18.12.98). Also doch: Ein Deutscher ist ein Deutscher und Rudi ein spŠter Werwolf. So schwachsinnig dieser konstruierte Zusammenhang, verbunden mit geradezu widerlichen antisemitischen Verschwšrungstheorien, auch klingen mag, ist er doch nicht ungefŠhrlich. Der Neo-Nazi-Szene gebricht es bislang an konsistenter Theorie und ModernitŠt. Die Einvernahme der 68iger Bewegung, speziell ihrer theoretischen und praktischen Vorhut, des Sozialistischen Deutschen Studenbundes (SDS), fŸr die eigenen Zwecke kšnnte hier Abhilfe schaffen Die SDSler waren, wie die gesamte damalige au§erparlamentarische Opposition (APO), ein bunt zusammengewŸlfelter Haufen von traditionellen Sozialisten, linken Demokraten, KŸnstlern und antiautoritŠren Rebellen. Letztere gingen davon aus, da§ die Wurzel des gesellschaftlichen †bels in den Menschen selbst lag. Auch wir SDSler waren ein Zusammenschlu§ von Kollektivisten und Individualisten. Der Bezugspunkt der Kollektivisten war die weltweite Arbeiterklasse, das Proletariat, in der Dritten Welt auch die Nationen, der Bezugspunkt der Individualisten waren die einzelnen Menschen selbst. Einig waren wir in der Ablehnung des Faschismus bzw. seiner deutschen Spielart des Nationalsozialismus. Wir warfen den Alliierten vor, nicht konsequent genug entnazifiziert, es ermšglicht zu haben, da§ Ex-Nazis wie Globke, OberlŠnder, LŸbke, Filbinger, Kiesinger und viele andere wieder in hohen und hšchsten €mtern sa§en. Viele von uns hatten Grund, unseren Eltern vorzuwerfen, Ÿber die Vergangenheit schweigen zu wollen. Wir akzeptierten die deutsche Teilung als gerechtfertigte Ma§nahme angesichts der Ungeheuerlichkeit der im deutschen Namen begangenen Verbrechen. Wir fŸhrten keinen Kampf gegen die "Besatzer", das blieb damals der NPD vorbehalten, wir fŸhrten einen Kampf gegen den Krieg der USA in Vietnam, wir demonstrierten gegen die Besetzung der CSSR durch die Staaten des Warschauer Vertrages. Unsere rechtsextremistisch gewendeten Ex-Genossen unterstellen heute eine unterschwellige Identifizierung der Vietnamkriegsgegner mit ihren Eltern, die antiamerikanisch eingestellt waren, weil die USA Mitverantwortung im Zweiten Weltkrieg fŸr den Bombenkrieg gegen deutsche StŠdte trugen und weil sie dem deutschen Volk durch die Reeducation das Selbstbewu§tsein und letztlich die SouverŠnitŠt genommen hatten. WŠhrend beispielsweise Rudi Dutschke nicht mŸde wurde, davon zu sprechen, da§ Geschichte von den Menschen machbar sei, die historischen Vorbedingungen fŸr transitorische Bewegungen zum Sozialismus hin gegeben wŠren, behaupten unsere Neu-Rechten jetzt das genaue Gegenteil, nicht der einzelne oder die Klasse seien TrŠger der Geschichte, sondern die Nationen bzw. die Všlker. Sie versuchen, die Politik zu ethnisieren, sie unterstellen unterschwellig, ein Deutscher mŸsse deutsche Vorfahren haben und kšnne nicht Mustafa hei§en. Sie reden von "Partisanenformationen", die in Deutschland ihre heimischen BŸrgerkriege vorbereiten bzw. hierhertragen, sie reden von der "†berfremdung des deutschen Volkskšrpers", von der "Unterjochung Deutschlands unter den menschenfeindlichen American way of life". Verantwortlich dafŸr machen sie, wie kann es in rŸckwŠrtsgewandten deutschen Hinterzimmern auch anders sein, die Juden. JŸdische Intellektuelle, darunter die der vor den Nazis in die USA emigrierten Frankfurter Soziologenschule, hŠtten ma§geblich das fŸr das besiegte Deutschland erarbeitete Reeducation Programm bestimmt. Das sei sogar vom Jewish World Congress 1944 abgesegnet und ab 1945 auch durchgefŸhrt worden. (Neo-Nazis reden daher auch offen von der "Juden-Republik", wenn sie die Bundesrepublik Deutschland meinen.) FŸr diese PerfiditŠt sind sie sich nicht zu schade, selbst den ausgewiesenen Internationalisten Rudi Dutschke fŸr sich zu reklamieren. Der habe damals schon Ÿber die Wiedervereinigung nachgedacht und in der nationalen Frage revolutionŠre Sprengkraft gesehen. Ja, die ganze Bewegung der 68iger sei nationalrevolutionŠr gewesen, da sie sich gegen den US-amerikanischen Imperialismus und den sowjetischen Hegemonismus gewendet habe. Rudi kann sich nicht mehr wehren, wir aber, die wir noch leben, sind entsetzt Ÿber diese Entwicklung. Es gab keinen "nationalrevolutionŠren" Diskurs innerhalb unserer Bewegung. Selbst unsere aus der DDR geflŸchteten Mitglieder haben diesen nicht gefŸhrt, zumindest nicht šffentlich. Rudi Dutschkes †berlegungen zu einer Freien Stadt West-Berlin und ihre mšgliche Ausstrahlungskraft auf Ost und West gewann zu keiner Zeit politische Relevanz. Unsere jetzt frisch-konvertierten NationalrevolutionŠre Mahler und Rabehl haben zu jener Zeit nicht ein Sterbenswort von derartigen Ideen verlauten lassen. Sie haben weder das Recht, unsere BeweggrŸnde fŸr unser damaliges Engagement zu verfŠlschen, noch sich selbst in die von ihnen neu definierte Traditionslinie zu stellen. Mahler grŸndete die RAF, um diesen Staat der BRD zu zerstšren und Rabehl gefiel sich in anarchistischen BegrŸndungen fŸr sein damaliges Tun. Erst spŠter entdeckte er den Marxismus-Leninismus fŸr sich und in dessen Folge konnte er auch wieder an seine vorrevolutionŠren †berlegungen zur deutschen Spaltung und ihrer mšglichen †berwindung anknŸpfen. Antikapitalismus und Nationalismus vereint er nun zu einem hšchst unappetitlichen GebrŠu, das er Ÿberdies mit wilden Verschwšrungstheorien auflŠdt. Mahler, Rabehl und Co versuchen vergeblich, die Nationen als Agenten des Kampfes gegen die weltweit konkurrierenden und herrschenden KapitalmŠchte zu beschwšren. Dieser Weg der Ethnisierung von Konflikten ist falsch und gefŠhrlich. Er erhšht die Kriegsgefahren und fŸhrt im Inneren zur Ausgrenzung und Verfolgung von Minderheiten. Juden und "AuslŠnder" haben sie fŸr diese Rolle bereits auserkoren. IhrVorsto§ ist umso unverantwortlicher, als er zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem endlich versucht wird, das StaatsbŸrgerschaftsrecht zu reformieren. Die Aufhebung des Abstammungsprinzips ist eine wichtige Voraussetzung fŸr die Gleichstellung bzw. der Integration der in Deutschland lebenden Bevšlkerung, fŸr die Herstellung solidarischer Beziehungen der abhŠngig BeschŠftigten untereinander und fŸr die Weiterentwicklung der demokratischen VerhŠltnisse in diesem Lande. Wir SDSler bzw. 68iger sind in unserem Leben, in unserem politischen Werdegang gewi§ vielen IrrtŸmern unterlegen und wir haben sicherlich viele Fehler begangen. Wir sind auf dem Marsch in die Institutionen im GestrŸpp des Alltags hŠngen geblieben, wir haben uns in Sekten verfangen, wir sind im Guerillakampf gestorben, wir sind im Knast verrottet, wir haben uns ins bŸrgerliche Leben zurŸckgezogen. Die meisten von uns haben gelernt, der wachsenden KomplexitŠt der Welt nicht mit einfachen Lšsungen zu begegnen. Wir halten Kurs. Wie schon in jenen legendŠren Zeiten der 60iger streben wir weiterhin nach Befreiung von unausgewiesenen Hierarchien, von autoritŠrer Herrschaft, von sozialer und patriarchaler UnterdrŸckung. Dabei sollten wir nie den Gedanken der EgalitŠt aufgeben, wir sollten die Ideale der gro§en Franzšsischen Revolution insgesamt hochhalten. Das Ziel der Emanzipation mu§ klar bleiben, auch wenn der Weg dahin Šu§erst dornig ist. Grundkonsens sollte sein: 1. Es gibt nur eine Sorte Mensch, keine unterschiedlichen Rassen. Der Antisemitismus mu§ bekŠmpft werden. 2. Der Kapitalismus ist ein globales (Verwertungs)-VerhŠltnis und kann nur international aufgehoben werden. Verschwšrungstheorien, wie sie neuerdings von Mahler und Rabehl vertreten werden, sind ausdrŸcklich abzulehnen. 3. Der Sozialismus sowjetischer PrŠgung war mit seinen barbarischen Methoden ein gigantischer Flop. Die Emanzipation der Menschen von verdinglichten VerhŠltnissen bleibt unser Ziel. 4. Der Sieg der Alliierten Ÿber Nazi-Deutschland war ein Segen fŸr die Menschheit, wobei das Reeducation-Programm insofern eine gelungene Veranstaltung war, als es zur Herstellung einer stabilen Demokratie beitrug, die immerhin so attraktiv fŸr unsere šstlichen Landsleute war, da§ sie es ohne wenn und aber nach der Wende fŸr sich Ÿbernommen haben. Der anhaltende Zuzug vieler Menschen aus aller Welt unterstreicht diese Tatsache ebenso. 5. Das Interesse Deutschlands ist die Freiheit und Wohlfahrt jedes einzelnen BŸrgers. Die Menschen in unseren Nachbarstaaten haben dasselbe Ziel. Die europŠischen EinigungsbemŸhungen und damit auch die EinfŸhrung des Euro sichern diesen Zweck der Politik nach innen und au§en ab. 6. Zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte haben die BŸrger den Regierungsauftrag nicht an konservative Bestandswahrer gegeben, sondern an eine Koalition von Modernisierern. Trotz oder gerade wegen vorhandener UnzulŠnglichkeiten bŸrgerlich-demokratischer Regierungsformen ist Rot-GrŸn Erfolg zu wŸnschen. Die Kennzeichnung von Wahlen als "Klamauk" (Rabehl) ist abzulehnen. 7. Die Menschen in Deutschland sind mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet, je nach dem welchen Pa§ sie in der Tasche haben. Diese Spaltung des Volkes gilt es aufzuheben. 8. Die Freiheit der Rede ist unerlŠ§lich. Dieses Recht gilt sowohl fŸr Autonome, die bspw. anlŠ§lich der Luxemburg/Liebknecht/Lenin-Demo Schily mit Noske gleichsetzen zu mŸssen meinen, als auch fŸr Mahler und Rabehl, die sich zu všlkischen Ideologen gewandelt haben. Im Sinne demokratischen Entertainments mŸssen sie aber mit entschiedener, theoretischer als auch praktischer Kritik rechnen. Ihr jeweiliges Tun bedarf nicht einer hysterischen, sondern einer adŠquaten Antwort. 9. Linke Politik war fŸr uns niemals nur Ratio, immer auch Sentiment. Gerade die antiautoritŠre Linke betonte die Relevanz psychoanalytischer Kategorien fŸr die Interpretation und Nutzbarmachung emanzipativer Prozesse. Wenn nun auch ehemals orthodoxe Politinterpreten wie Mahler und Rabehl plštzlich "das GefŸhl" fŸr sich entdecken, ist das natŸrlich einerseits zu begrŸ§en, andererseits "fŸhlen" sie sich in die všllig falsche Ecke gezogen. Ihnen sei ins Stammbuch geschrieben, linker Hedonismus ist die Befriedigung und Entwicklung eigener BedŸrfnisse, die Entdeckung neuer Mšglichkeiten, nicht die Abgrenzung gegen Neues, wo immer es auch herkommen mag, selbst dann nicht, wenn es aus orientalischen Gefilden stammt. 10. An der wachsenden KomplexitŠt der globalisierten Welt kommt niemand vorbei. Der Gegenentwurf kleiner Einheiten und simplifizierter Lšsungsmodelle fŸr auftretende Konflikte, wie sie in der Ethnisierung sozialer Probleme in vielen Teilen der Welt sichtbar werden, ist auf Dauer zum Scheitern verurteilt. Die Idylle, die "Idiotie des Dorfes", ist verloren und lŠ§t sich nicht mehr herstellen. Berlin, Januar 1999 GŸnter Langer J M N O R Ê Ê Ê Ê