Design ist, wo die Pixel strahlend glŠnzen Richard PettauerÊÊ 07.05.2001 Nicht Ÿberall, wo Lecture draufsteht, ist auch kritische Auseinandersetzung erwŸnscht, wie die Webdesign-Ausstellung Stealing Eyeballs belegt Webdesign ist eine junge Disziplin, die Šsthetisches und publizistisches EinfŸhlungsvermšgen gleicherma§en verlangt. Usability, Gestaltung, Content - Ÿber all diese Kategorien vermšgen Experten auf diversen Werbeveranstaltungen trefflich zu parlieren. Findet so etwas wie eine Leistungsschau der digitalen Designvordenker statt, so erwartet der Besucher neben blo§er PS-Faszination zu Recht auch kritische Reflexion des eigenen Tuns - das sehen die Veranstalter der Vortragsreihe "Stealing Eyeballs" aber anscheinend anders. Deshalb disqualifizierten sie auf ihrer Homepage zwei unliebsame Vortragende, um zu verhindern, dass die Inkriminierten "weiterhin ein Forum erhalten, das sie nicht konstruktiv zu nutzen wissen haben," wie es in der AusschlussbegrŸndung blumig hei§t. ÊStealing Eyeballs [0] lŠdt zur Auseinandersetzung mit den Schnittstellen von Kunst und Webgestaltung, dem Industriedesign des 21. Jahrhunderts, ein. Internationale Designer belehren in diversen Lectures das Publikum Ÿber den Stand der Dinge - derzeit ist die Veranstaltung noch im Gange, der letzte Vortrag ist fŸr den 19. Mai angesetzt. Zum Eklat kam es aus der Sicht der Veranstalter am 29. April: Im Rahmen des "Designer's Sunday 1" waren fŸnf PrŠsentatoren angekŸndigt. Drei erzŠhlten im wesentlichen, wie man mit Photoshop besonders schšne Pixel-Effekte erzielt und plauderten lustig aus dem NŠhkŠstchen des Designers, zwei schwarze Schafe dagegen machten sich in sehr amŸsanter Weise Ÿber Publikum und Veranstalter lustig. Die erste PrŠsentation ging auf das Konto von Bart'n'Lisa: dieses Vortragspseudonym von Hans Extrem und seiner Partnerin Liz von ÊUbermorgen.com [1] sorgt regelmŠ§ig Ÿberall dort, wo man die beiden vor Publikum auf eine BŸhne lŠsst, fŸr Verwirrung. Weniger klar war das anscheinend den Veranstaltern, die sich durchwegs nicht angetan zeigten vom subversiven Konzept der falschen Simpsons: im Wesentlichen bestand die PrŠsentation von Bart'n'Lisa darin, dass diverse Webprojekte wie stŠdtische und ministeriale Einrichtungen als eigene Arbeiten angegeben wurden ("Die EU hat leider kein Logo, aber wir arbeiten daran"). Zum guten Schluss artete die anfangs friedliche PrŠsentation in eine sorgfŠltig inszenierte SchlŠgerei mit anschlie§ender Publikumsbeschimpfung aus - und sorgte bei den anwesenden GŠsten fŸr gehšrige Verstšrung. Keine Reaktion ohne Aktion, und die findet sich in der Konzeptlosigkeit des gesamten Augendiebstahl-Unterfangens: mag man Ÿber die inhaltliche QualitŠt streiten, Êanderswo [2] wird wenigstens nicht kommentarlos zusammengefŸgt, was nicht zusammengehšrt - aber die krude und unkommentierte Mischung von net.artists und kommerziellen Designern fŸhrt eben zu solchen Ergebnissen wie dem besprochenen Vortrag, erklŠrt Liz ("Lisa") von Ubermorgen.com. So finde sie die Ausstellung zwar nett, aber: "Wenn Hans ("Bart") und ich in die Kunsthalle, die ich aufgrund ihrer Vergangenheit und Gegenwart nicht unproblematisch finde, eingeladen werden, um Ÿber Design zu sprechen, dann ist klar, dass wir nicht Ÿber unsere media.hacks reden - das wŠre ja Themenverfehlung." Gleich wenig Wohlgefallen lšste Niko Alm, CEO von Êvoortekk.com [3], aus. Dabei machte er nichts weiter, als seelenruhig Ÿber grottenschlechtes Webdesign zu sprechen - nachvollziehbar unter Êwww.voortekk.com/vortrag/ [4]. Mit seiner Darstellung des AIDA-Modells (Attention, Interest, Desire, Action) und dem vehementen Hinweis, dass "am Ende die Kaufentscheidung steht", sorgte er jedoch mehr fŸr UnverstŠndnis denn fŸr Lacher. "Im Mittelpunkt steht Userbility." "FŸr komplexe Webprojekte empfiehlt voortekk.com Microsoft Powerpoint." Zu elaborierte Kritik in der Verkleidung Šu§erster BanalitŠt? Das Konterkarieren gegenwŠrtiger Trends scheint nicht gern gesehen: geht's der Internet-Economy schlecht, Šndern sich blitzartig die Anforderungen an das Design, so die Botschaft - aber die kam scheinbar nicht an. Spezifische Aspekte des digitalen Designs, wie die leichte Kopierbarkeit, wurden durch eindrucksvollen Beispielen belegt - dass sich dank Alm unter Êwww.kinderpornografie.org [5] eine optische Kopie der Stealing-Eyeballs Site findet, und dass das ÊJesus-KZ [6] als Beispiel fŸr die gelungene Implementation eines Content-Managment-Systems herhalten musste, reichte dann aber doch fŸr den Ausschluss. Zu einem Kommentar war der Vortragende, abgesehen von einem zufriedenen Schmunzeln, allerdings nicht zu bewegen. Die beiden "Disqualifikationen" lassen sich also durchwegs als ArmutserklŠrung lesen: Da lŠdt man zuerst wohlgemut digitale Gestalter quer durch die Bank ein, Šrgert sich dann Ÿber VortrŠge, die den implizit festgelegten Regeln nicht entsprechen, und dokumentiert die eigene UnfŠhigkeit dann auch noch vehement auf der zugehšrigen Webpage. Schade fŸr die anderen Vortragenden, die schon mal prŠventiv die Schere im Kopf ansetzen sollten, wenn sie weiter auf der Website vertreten sein wollen. Denn, wie's in beiden AusschlussbegrŸndungen (wortgleich!) hei§t: "die prŠsentation konnte an keinem punkt die standards erreichen, die nicht nur fŸr das gesamte projekt "stealing eyeballs" gelten, sondern allgemein die grundlage fŸr eine sachliche auseinandersetzung mit den angesprochenen themen bilden. im gegenteil: "bart n lisas"/ "voortekks" demonstration hat vor allem demonstriert, dass "bart n lisa" / "voortekk" weder den selbstgewŠhlten inhalten noch den intentionen des gesamtprojektes gewachsen sind. "bart n lisa" / "voortekk" haben sich damit nicht nur selbst diskreditiert sondern -schlimmer noch- auch jene inhalte desavouiert, deren diskussion ihnen angeblich ein anliegen ist." Das legt doch geradezu den Verdacht nahe, dass das "Desavouieren von Inhalten" einer kritischen Intention in jedem Fall všllig zuwiderlŠuft. Keineswegs soll den Initiatoren von "Stealing Eyeballs" der gute Willen abgesprochen werden - die Ausstellung ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Dass nur der Untersuchungsgegenstand designed sein darf, der Vortrag jedoch nicht, nimmt bei einer Veranstaltung, die soviel Wert auf Zeitgeistigkeit legt, aber doch zumindest Wunder. Links [0] http://www.stealingeyeballs.net [1] http://www.ubermorgen.com [2] http://kultur.aec.at/festival/ [3] http://www.voortekk.com [4] http://www.voortekk.com/vortrag/ [5] http://www.kinderpornografie.org [6] http://das.jesus.kz Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/sa/7561/1.html ------------------------------------------------------------------------ Copyright © 1996-2001 All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten Verlag Heinz Heise, Hannover