http://www.nadir.org/nadir/periodika/bahamas/auswahl/web33-2.htm Krieg der Generationen: Deregulation vs. Nationaler Sozialismus †ber die Notwendigkeit eines Anti-Postfaschismus ãImmer frŸher trennen sich die Wege der Aufsteiger und Verlierer und die Jugendbewegungen mu§ten erfahren, da§ ihre rebellische AttitŸde von der Gesellschaft dazu mi§braucht wurde, sie materiell und kulturell auszugrenzen, weil die meisten Jugendlichen škonomisch und politisch nicht mehr gebraucht wurden. Zu der gewšhnlichen gerontokratischen Abwehrbewegung gegen die Jugend kam nun ein heftiger škonomischer Abwehrkampf. Die grš§te Gefahr fŸr die Position des ,normalen LebensÔ im Mainstream geht nicht von AuslŠndern aus, sondern vom Jugendlichen.Ò G.See§len (1994, 177) ãFight This GenerationÒ Pavement Medien produzieren gewohnheitsmŠ§ig Bilder des Schreckens: In diesem Sommer waren es nicht zum ersten Mal, aber massiv wie nie zuvor, Bilder von kurzgeschorenen und uniformierten Jugendlichen als gefŠhrliche, andersartige Monster, die von au§en in die an sich wohlgeordnete Welt der Erwachsenen und Braven mit dem Ziel eindringen, sie zu zerstšren. Das reine und unerklŠrliche Bšse inkarniert sich im Skin, zu dem die Gesellschaft kommt wie Ripley zum alien im gleichnamigen Horrorepos. Ebenso wie es der Horrorfilm vermeidet, das Bšse durch lange und akribische Einstellungen zu entdŠmonisieren und deshalb gern mit Schattenrissen, undeutlichen Kurzeinstellungen und Teildarstellungen arbeitet, prangen auf den Zeitungsseiten und den Bildeinblendungen der Tagesschau hŠufig nur Gro§aufnahmen von Stiefeln einschlŠgiger Marken, das Ganze gern auch mal mit Kampfhund. Fast scheint es so, als ob die im FrŸhsommer 2000 erfolgte plštzliche Wandlung der schŠferhundliebenden Nation zur Nation der Hundeverfolger das Auftaktkapitel einer antifaschistischen LŠuterung war. Zugleich kŸndigte die entsprechende Hysterie an, wie der ãAufstand der AnstŠndigenÒ (Schršder) mit durch (Hunde-)Rasse, Herkunftsland oder Lebensalter per se als aggressiv ausgewiesenen Kreaturen umzuspringen gedenkt. Der rechtsradikale Jugendliche mutierte plštzlich vom anerkannten, wenn auch fehlgeleiteten Teil deutscher ãLeitkulturÒ zum public enemy No.1, dessen Verderbtheit keine Eltern und keine Lehrer hat, dem nichts zeitgemŠ§ Deutsches mehr innewohnt. Dabei hat er sich nicht gewandelt und betreibt kein anderes GeschŠft Ð also ãAufklatschenÒ, Brandstiftung und DenkmalsschŠndung Ð als er es seit Jahr und Tag unter offenem Beifall der (ost)deutschen Passanten einerseits, unter verstŠndnisvollem Tadel von Erziehern, Medien, Justiz und Gesetzgeber andererseits, getan hat. Der aufbrandende Antifaschismus querbeet durch Polit- und Medienlandschaft hat nichts damit zu tun, da§ es mit dem Neonazismus schlimmer geworden wŠre oder gar, da§ man es erst mit zehnjŠhriger VerspŠtung mitbekommen hŠtte. Der Widerwille gegen den jugendlichen Neo-Nazi entspringt vielmehr dem Wissen um die Todgeweihtheit des ãTraumdeutschlandÒ der 50er/60er Jahre, dem Wissen, darum, da§ die fŸr den Postfaschismus konstitutive Nachkriegs-LebenslŸge aufzufliegen beginnt: Der Selbstbetrug einer bruchlos gelungenen Verschmelzung des geliebten Nationalsozialismus mit dem freien Markt zur ãformierten GesellschaftÒ Ludwig Erhards, das als Realphantasma weder streunende Hunde noch ebensolche Jugendliche kannte und hinnehmen wollte. ãIm Jahr 1965 gab es vermutlich mehr deutsche Faschisten als im Jahr 1935. Aber die meisten von ihnen waren zugleich gute Demokraten und Mitglieder in KleingŠrtnervereinen und bewu§te Verbraucher und Besucher des Teutonengrills an der Adria und Fernsehzuschauer und Gartenfestfeierer. Aber sie alle benštigten eine deutsche Kultur, einen deutschen Alltag, der die faschistische Seele, die Struktur der Wahrnehmung von Beschleunigung, KrŠnkung und vergangenem GlŸck mit dem Leben in der freien Marktwirtschaft versšhnte.Ò So ãentstand ein Traumdeutschland, in dem gleichzeitig Persil wei§er denn je wusch und die Stukas Ÿber Ru§land heulten, in dem man Heimatlieder sang und WeihnachtsbŠume schmŸckte und tief gekrŠnkt war, wenn an der GemŸtlichkeit gerŸttelt wurde.Ò (See§len 1996, 35f.) Nazi-Aliens In ihrer Stšrenfried-Funktion fŸr die Volksseele gleichen die Glatzen durchaus den ãGammlernÒ, denen 1965 seitens der ãgemŸtlichenÒ WindjackentrŠger normalerweise das Arbeitslager und Schlimmeres verordnet wurde. Den Stšrenfrieden des Jahres 2000 wŠre ein solchesArbeitslager noch nicht einmal unwillkommen, wenn sie darin auch die Kapos geben dŸrften. Noch lieber aber wŠre es den BomberjackentrŠgern, diese nach Ablauf einer angemessenen Sturm-und-Drang-Zeit in ganz traditioneller Manier gegen die sprichwšrtliche Windjacke einzutauschen. So sind sie auch nicht aus eigener Absicht, also vorsŠtzlich, eine Bedrohung dieser GemŸtlichkeit, sondern gerade dadurch, da§ ihre emotionale wie geistige Ausstattung nur allzusehr der ãgro§en MehrheitÒ (Schršder) jener gleicht, die ãanstŠndigÒ sind. In den Augen der Jung-Nazis selbst haben denn auch nicht sie, sondern hat die VorgŠngergeneration den deutschen Pfad der Tugend verlassen. Stolz fŸhlen sie sich als všlkisch-nationale RevolutionŠre, als die letzten Vertreter von Arbeit, Blut und Ehre in einer všllig verkommenen Welt, die sie verraten hat: ãVorwŠrts im Kampf gegen die Macht der herrschenden Politiker! Jetzt die antikapitalistische Wirtschaftsordnung schaffen!Ò tšnt die NPD und die ãKameradschaft GeraÒ hat nicht nur ihren Adolf Hitler (aka 18 im Nazi-Inspeach), sondern auch ihren Horst Mahler verinnerlicht: ãDas System ist der FehlerÒ! Wahre deutsche Lebensart trachten sie vorzuleben, indem sie pars pro toto die Personifikationen des Undeutschen, die AuslŠnder, die Behinderten, die Schwulen und die ãZeckenÒ jagen; das alles durchaus im Einklang mit den Ressentiments der ãMehrheit. Die Bestimmung der ãFeindgruppenÒ als ãDachpappeÒ oder die Bezeichnungen ãPre§kohleÒ fŸr Afrikaner, ãAsselnÒ fŸr Obdachlose und ãZeckenÒ fŸr Linke sind lŠngst in der Alltagssprache so prŠsent wie sie unweigerlich zum Ð frŸher hinter vorgehaltener Hand ausgesprochenem Ð Bewu§tseinsinventar des staatsbŸrgerlichen Tauschsubjekts gehšren. Worin unterscheidet sich nun der jugendliche Nazi-alien vom gesetzteren MitbŸrger und warum kooptiert man nicht die doch eigentlich so hervorragend konditionierten Jung-AutoritŠren in die staatliche Gewaltorgane, wie es bis vor kurzem noch Brauch und Sitte war? Weil es gerade der unbedingte Wille, reibungs- und bruchlos dazuzugehšren, das Einfordern des in den guten, alten Zeiten SelbstverstŠndlichen ist, was diese Jugendlichen ãsystemfeindlichÒ macht. Die, wie es der Kultusminister Sachsen-Anhalts nennt, ãhegemoniale JugendkulturÒ (taz, 30.8.2000) ist rechts, damit der ãGemŸtlichkeitÒ der ãAnstŠndigenÒ eng verwandt, aber sie ist eben auch ihr illegitimer Bastard. Das hat sie vom Traum der auf Gehorsam setzender Poliere, Unteroffiziere und OberstudienrŠte zum Alptraum der ãNeuen MitteÒ und der UnternehmerverbŠnde gemacht. Jenes ãReichÒ, von dem NPD-JungfunktionŠre, Oi-Bands (beispielsweise im Szene-Hit von ãKraftschlagÒ Wir sind die Skins aus dem gro§deutschen Reich) und adrett gescheitelte Gymnasiasten gleicherma§en schwŠrmen, eine krude Mischung aus Kim-Il-Sung, Deutscher Arbeitsfront, rassischer Reinheit und kleinbŸrgerlichen KonformitŠtswŸnschen, ist ebenso das aufgekŸndigte Zentrum des Nationalsozialismus wie auch das seines legitimen Nachfolgers. Es unterscheidet sich von dem ãReichÒ, in dem beispielsweise die Teilnehmer der vom Berliner Senat Ende der 60er Jahre veranstalteten Anti-APO-AufmŠrsche geistig lebten, eigentlich nur durch den nationalrevolutionŠren Gestus, der genau die zur Provokation gewordene Sehnsucht nach jenen tatsŠchlichen 60er Jahren markiert. Die Lobeshymnen des stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Eisenecker auf die nordkoreanische Juche-Doktrin nationaler Autarkie wie auch das Lob der DDR, weil sie der ãAmerikanisierungÒ widerstanden habe, entstammen der EnttŠuschung darŸber, aus ãTraumdeutschlandÒ vertrieben worden zu sein. Da§ die verblichene DDR die faschistischen Vorlieben, die ihr nach ihrem Ableben entgegengebracht werden, nicht verdient hat, sollte sich ohnehin von selbst verstehen. Was den real existierenden Sozialismus wie die ãformierte GesellschaftÒ zu so inniglich begehrten Phantasmagorien werden lŠ§t, war eben das vom Postfaschismus eingelšste faschistische Versprechen: FŸr die autoritŠre Unterwerfung, der lebenslangen Zusage, ein Subalterner zu bleiben und die Zumutungen der Produktionsschlacht auf sich zu nehmen, die materielle wie symbolische Anerkennung als ãArbeiterklasseÒ oder zumindest wie in der frŸhen BRD als ãOtto-NormalverbraucherÒ oder ãKleiner MannÒ durch den Volksstaat und seine ideologischen Apparate zu erhalten (Das Ventil des Hasses auf derlei Existenz waren und sind im Ÿbrigen auch heute noch jene, denen Genu§ ohne Arbeit unterstellt wird Ð vom korrupten Politiker bis zum Obdachlosen). Dieser Pakt aber ist aufgekŸndigt Ð offenkundiger denn je, seit das bundesprŠsidiale ãEin Ruck mu§ durch dieses Land gehenÒ von Gardinenpredigten neusozialdemokratischer Realpolitik abgelšst worden ist. Zerstšren, um teilzuhaben Weil der Nazi-Skin dem Staatsproletarier so Šhnelt, imitiert sein subkultureller Dress- und Kšrpercode, der im England der 60er Jahre entstand und bereits damals von working-class-Nostalgie geprŠgt war, im heutigen Deutschland blo§ noch die Zeichen der militarisierten Arbeit im Faschismus. Garantierte diese seinem VorgŠnger die symbolische Erhšhung, so garantiert sie dem heutigen Nazi-Skin die offizielle €chtung. Es ist die €chtung dafŸr, eindringen zu wollen in die wohlgeordnete Welt der reguliert-autoritŠren industrial relationships, in deren RestbestŠnde zu gelangen ihm genauso schwer fŠllt wie anderen †berflŸssigen: Dem human waste der Kranken, Behinderten und anderweitig Gescheiterten sich nicht nur in seiner eigenen Perspektive, sondern auch in der der ãanstŠndigenÒ BŸrger immer mehr annŠhernd, ha§t er sie gerade dafŸr besonders intensiv Ð nicht nur in Eberswalde: ãAm Donnerstag prŸgelten 13-jŠhrige Rechtsextreme einen gehšrlosen 17-JŠhrigen halbtot. Im Plattenbauwohngebiet im brandenburgischen Viertel sammelt sich die rechte Wut. Eingeklemmt zwischen Betonblocks, steht die Fšrderschule fŸr geistig Behinderte. Es stinkt nach Urin, rechte Parolen und brutale SprŸche zieren im Erdgeschoss die frischgestrichene Mauer. Ein verwaschenes rotes Hakenkreuz blitzt durch wei§e Farbe. ,Das ist die Schule fŸr die Bekloppten, die DurchgedrehtenÔ, ruft ein Junge mit Bomberjacke vom Balkon des ersten Stocks im benachbarten Wohnhaus. Sein Freund kommentiert: ,Und wir sind hier im GhettoÕÒ. (Berliner Morgenpost, 28.10.2000) Die Zerstšrungslust entspringt dem Wunsch nach Teilhabe an dem Phantasma-Deutschland, dessen Pforten verschlossen bleiben werden. Je mehr Gesundheit, Angepa§theit und Zugehšrigkeit zur Volksgemeinschaft am maltrŠtierten auslŠndischen, behinderten usf. Normabweicher bewiesen werden, desto mehr weist der deregulierte Postfaschismus die blutigen Liebesbeweise seines verschmŠhten Nachwuchses zurŸck. Nicht aus MitgefŸhl fŸr die Opfer dieses Treibens, sondern weil das Betriebsgeheimnis des Postfaschismus durch das Zerrbild des IdealbŸrgers vergangener Zeiten, den BomberjackentrŠger, gnadenlos entlarvt wird: Er verlangt laut die Einlšsung des Versprechen der Gleichheit der Volksgemeinschaft, die ihm die Alten deswegen vorenthalten, um sie fŸr sich als Werte-, Solidar- und FrŸhrentengemeinschaft weiter praktizieren, sprich finanzieren zu kšnnen. Wider ihren Willen mu§ diese generationell abgeschottete Gemeinschaft also faschistischen Antifaschismus praktizieren, um zu leugnen, da§ es Fleisch von ihrem Fleische ist, was da mordbrennend um seine Anerkennung als Erben ringt. Um die Form der Gleichheit geht es: Sorgt der Staat weiterhin dafŸr, da§ man in der subalternen Gleichheit der Volksgenossen die Existenzangst sistieren kann oder wird man der Gleichheit eines Marktes ausgesetzt, der das Ticket der deutschen Volkszugehšrigkeit umgehend entwertet. Die Antwort auf diese Frage gab der BundestagsprŠsident in der Debatte ãFŸr Toleranz und Menschlichkeit Ð gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt in DeutschlandÒ am 28.9.2000: ãIch hoffe, nein ich bin Ÿberzeugt, da§ sich alle in diesem Hause in der Abwehr (!) dieser GefŠhrdung unseres (!) friedlichen Zusammenlebens, dieses Angriffs auf die Wertegrundlagen (!) unserer Demokratie einig sind.Ò Woher dieser Angriff kommt und da§ er letztlich nur das beansprucht, was die Alten hatten, wei§ Thierse genau: ãDie DDR hat unter den Werthaltungen, die sie den Menschen aufgeprŠgt hat, wohl am folgenreichsten die Vorstellung von Gleichheit und Gerechtigkeit(!) geprŠgt. Ich will das nicht kritisieren; das BedŸrfnis nach Gerechtigkeit ist ein sehr menschliches GrundbedŸrfnis. Aber jetzt wird sichtbar, da§ die spezifische AusprŠgung der Gleichheitsvorstellung eine RŸckseite hat: den KonformitŠtszwang, die UnfŠhigkeit, mit Differenzen umzugehen und soziale Differenzen auszuhalten.Ò (Auszug aus dem Steno-Protokoll auf: http://www.bundestag.de/gremien/reden/rechts.htm. Hervorhebungen von mir, U. K.) Der Rahmen des postfaschistischen Generationenkonflikts ist damit abgesteckt: Je hšher bei den unter-drei§ig-JŠhrigen der ãvolksbezogene deutsche SozialismusÒ (wie ihn die sehr jugendliche sŠchsische NPD predigt, laut FAZ vom 4. 8. 2000) im Kurs steht, desto unheimlicher werden sie einer Zivilgesellschaft, die die Rechten als Linke bekŠmpft, als diejenigen also, die die ãLeerstelle der LinkenÒ eingenommen haben: ãUnverbesserlichen, militanten Feinden der bŸrgerlichen Gesellschaft bleibt heute, nach dem Scheitern der radikalen Linken, offenbar nur der Weg zur Šu§ersten Rechten.Ò (Tagesspiegel, 22. 8. 2000). Gegen die eigene Brut und ihre nationalrevolutionŠren Zumutungen verteidigen die Noch-Nutznie§er der letzten nationalen Revolution zŠh deren Errungenschaften: Pension, Rente und kŸndigungsgeschŸtzen Arbeitsplatz. Sie werden verteidigt gegen die, die ebenfalls in den Genu§ dieser Errungenschaften kommen wollen und mit ihrem Ha§ gegen ãdas UndeutscheÒ Ÿberdeutlich enthŸllen, worauf sich auch der Anspruch der Alten allein grŸndet: Aufs Deutschsein. Die asozialen GewaltausbrŸche sind purer KonformitŠtsterror, aber in dem Sinne, da§ da ein verzweifelter Wille zur KonformitŠt sich als Delinquenz zu beweisen sucht. Noch wŠhrend sie schon im Knast vergammeln, streben sie nach nichts anderem als Anpassung und unterscheiden sich in nichts von den Spie§ern, die sie gerne wŠren, die ãBraunen Zellen im GefŠngnis Schwarze PumpeÒ: ãAuch der Packer-Typ klagt Ÿber den schlechten Einflu§ der Anstalt. Aber er meint eher die ,DrecksŠueÔ, ,PennerÔ und ,LangschlŠferÔ, die ,nie gelernt haben zu arbeitenÔ, ihren Hintern nicht hochkriegen und die Tage so vergehen lassen. Er wolle hier nicht zum ,AssiÔ werden, sagt er.Ò(Tagesspiegel, 7. 8. 2000) Ha§ im Osten Ð Ha§ im Westen Da§ der Ha§ auf den ãAssiÒ, der Jugendlichen in Ost und West so gemeinsam ist, da§ in der ersten big-brother-Staffel arbeitslose und randstŠndig beschŠftigte Twens fast allabendlich darŸber philosophierten, wie wichtig Arbeit fŸr die Persšnlichkeit sei und wie sehr sie Sozialleistungsbetrug verabscheuten, bedeutet nicht, da§ die Ausdrucksformen des Generationenkampfs nicht sehr unterschiedlich sind. †berwiegt im Osten der Stiefel-Nazi, WiedergŠnger der militarisierten Arbeit, so ist das die Konsequenz des abrupten Zusammenbruchs der proletarischen Welt, in der immerhin ein Kultus um die ãJunge GardeÒ getrieben worden war. Da§ sich die Freizeitgesellschaft ausgerechnet im Milieu der Arbeitsfetischisten installiert, ruft geradezu nach den Skin-Attributen zur Simulation des National-Proletarischen, das ja auch den Alten hŠufig lieb und teuer ist. Der Generationenkampf als solcher ist dagegen im Westen viel ausgeprŠgter: Man konkurriert mit seinen liberalen oder linken Eltern, die scheinbar nicht altern wollen. Die Auffassung, da§ ihre ãmorschen KnochenÒ ihnen den Weg zum bequemen Futtertrog versperren, appelliert an den antibŸrgerlichen Aspekt, den gerade das verkrachte BŸrgertum am Faschismus von jeher so faszinierte. Nur unter dem Terrorjoch der aufgelšsten Zeitautonomie innerhalb der new economy und dem Absolvieren von drei Auslandspraktika bis zum dreiundzwanzigsten Lebensjahr kann das Wohlstandsniveau der Eltern zumindest simuliert werden. Die Erfahrung der Abschaffung von Jugend wird verschieden gemacht, eint aber dennoch im Zeichen des Neonazismus, macht den ãproletarische(n) Skinhead und de(n) bŸrgerliche(n) Neonazi kompatibelÒ: Ha§t der Osten, weil die Glorifizierung des nationalen Nachwuchses ins Gegenteil umgeschlagen ist, so ha§t der Westen schlicht deswegen, weil ihm die Lebensphase ãJugendÒ verweigert wird. ãDaher ist der neofaschistische Jugendliche auch nicht generell in den Sozialarbeitermythos vom Modernisierungsopfer einzuordnen. Der Jugendliche, der keine Aussicht auf eine bŸrgerliche Zukunft hat, findet sich in dem Idiom ebenso wie der ... smarte Aufsteiger.Ò (See§len 1994, 181) Der Generationenkonflikt zwischen asozial-gewalttŠtiger †beranpassung einerseits und repressiver ZurŸckweisung dieses aufsŠssigen Konformismus durch den Staat andererseits ist in keiner Weise Ausdruck einer etwa noch vorhandenen oder gar neu aufgekommenen ãgesellschaftlichen Hegemonie des AntifaschismusÒ. Letztlich kann der Konflikt, der sich als Staatsantifaschismus vs. Nationaler Sozialismus verkleidet, so dargestellt werden: Die Jungen reklamieren fŸr sich das nationalsozialistische Ticket, das die Alten ihnen verweigern, weil es nur noch von ihnen selbst eingelšst werden kann Ð Gnade der frŸhen Geburt. Wolfgang Pohrt beschrieb 1992 hellsichtig, was als Reaktion darauf folgte, da§ im Osten die Alten ihr SchŠfchen mit der Wiedervereinigung ins Trockene zu bringen wu§ten Ð beispielsweise mit der Anrechnung von RentenansprŸchen, Dienstjahren und Vermšgenskonversion Ð auf Kosten jener, die AnsprŸche, Dienstjahre und Vermšgen nur in dem Unternehmen hŠtten erwerben kšnnen, das 1989/90 von der bisherigen Belegschaft geschlossen wurde, der DDR: ãSo wurde in jener Nacht,Ò der des Rostock-Lichtenhagener Pogroms im Herbst 1992, ã wo unter dem Beifall der Erwachsenen ein Haufen vorgeschobener Kinder und HalbwŸchsiger drauf und dran war, das eigene Leben unwiderruflich zu verpfuschen, allmŠhlich sogar den Beteiligten klar, da§ die Beseitigung der Asylbewerber bestenfalls ein Appetithappen sein konnte. Schwer auszumachen, was die feixenden Alten auf den Balkonen und am Stra§enrand mehr beglŸckte, die Vorfreude auf tote Zigeuner oder die Zuversicht, die herumzigeunernden Jugendlichen bald hinter Gittern zu wissen.Ò (Pohrt 1992, 14) Die aus der AntiFa-Linken stammenden Verfechter einer im BŸndnis mit den Institutionen zu erreichenden ãkulturellen Hegemonie des AntifaschismusÒ von ak bis zag machen sich auf ihre Art mit diesem Typus ãfeixender AlterÒ gemein. Die pfiffigen Politikaster wittern die Chance eines Notaussstiegs aus einer Szene, die lŠngst nichts anderes mehr darstellt als die Selbstorganisation des Elends jugendlicher †berflŸssigkeit, den Ausstieg zum sozialen Aufstieg. In einer Art eskapistischer Mimikry kopieren sie das Erfolgsrezept derjenigen, die die BRD so grŸndlich zivilisiert haben, wenngleich heute kleinere Brštchen gebacken werden: Statt Professuren gibt es blo§ noch Journalisten- und PŠdagogenanstellungen zu verteilen. Der ehemalige Marsch durch die Institutionen ist zu einem blo§en Sprint in die Institutionen geworden, der ein anderes Programm als ãNie wieder Repression ohne unsÒ nicht mehr vorweisen kann: ãDie Frage ist also letztlich, was wir draus machen: Genauso wie fŸr Beckstein, Schšnbohm oder Schily bšte sich auch fŸr radikale Linke die theoretische Mšglichkeit, die Situation zur StŠrkung ihrer Position zu stŠrken ... oder einfach nur die entstandenen RŠume in der šffentlichen Diskussion zu nutzen, um gesellschaftlich wieder diskursfŠhiger zu werden.Ò Noch offener: ãGenau diese Stimmung mŸssen wir auszunutzen versuchen. Es geht fŸr uns darum mehr Einflu§ zu nehmen, ein StŸckchen kulturelle Hegemonie zurŸckzuerobern ... mšgliche HandlungsspielrŠume fŸr die Linke auszuloten und sie vor allem zu nutzen.Ò Und wie ein ordentliches RenegatenbewerbungsgesprŠch nun einmal ablŠuft, geht es ohne eine Absage an die (eigene) Hitzkšpfigkeit nicht ab: ãAntifa war nicht immer gleich Antifa, ist nicht immer gleich Antifa und wird nicht immer gleich Antifa bleiben. Der Begriff allein hat sich Ÿber die Jahre hinweg verŠndert, wurde angepa§t an die jeweiligen Notwendigkeiten(!) und Stimmungen.Ò (Interim 509, 7.9.2000; sprachliche Ungereimtheiten wurden originalgetreu zitiert) Der Wunsch nach Vernichtung des Lebendigen Solch unbedingter Anpassungswille an die ãjeweiligen NotwendigkeitenÒ wird fŸr die šffentliche Karriere auch bitter nštig sein, denn unter den lebenshungrigen Alten ist selber der Konkurrenzkampf in ungebremster HŠrte ausgebrochen: Die Angst ums eigene Privileg entlŠdt sich zunehmend in symbolischen Abstrafungsaktionen an die Mi§braucher solcher Privilegien in Gestalt von Beamten, Politikern und Parteien. Da§ die ãpaar AuslŠnderÒ nicht genŸgen wŸrden, um den Groll, den alle gegen alle hegen, zu ventilieren, hatte Pohrt auch schon 1992 angenommen. Kaum jemand hŠtte aber noch vor wenigen Wochen geahnt, da§ dieser all- und gegenseitige Widerwille sich als ãAntifaschistischer Deregulationsstaat gegen nationalrevolutionŠre Neo-Nazi-AsozialeÒ kostŸmieren wŸrde. †berhaupt ist es kaum mehr vorhersagbar, wer oder was als jeweils nŠchste ProjektionsflŠche fŸr die allseitige Mi§gunst der verfolgenden Unschuld herhalten mu§ Ð allenfalls ist klar, da§ es immer Schwache sein werden, die diese Mi§gunst nicht nur symbolisch sondern auch physisch zu spŸren bekommen: ãAsylbetrŸgerÒ und ãPerverseÒ sowieso und zunehmend Ð im Zeichen von zero tolerance Ð werden es ãasozialeÒ Jugendliche sein, denen dieses Schicksal widerfahren wird, gleichgŸltig, ob sie nun selber SchwŠche verachtende Neonazis oder blo§ an der Ecke herumlungernde DopehŠndler sind: ãSicher ist nur, da§ nicht blo§ die Gier nach Westautos und Bananen die lebenshungrigen Alten im Herbst 1989 dazu trieb, die Zukunft der eigenen Kinder zu gefŠhrden, sondern ein gegen die Jugend als Sinnbild alles Lebendigen gerichteter Vernichtungs- wunsch.Ò(Pohrt 1992, 14) Gerade der besondere VirilitŠtskult, mit dem die Angst vor der †berflŸssigkeit bei mŠnnlichen Jugendlichen gebannt werden soll, wird den Wunsch nach ihrer Bestrafung nur steigern, sobald sie sich erdreisteten ãnational-revolutionŠreÒ AnsprŸche zu stellen oder anderweitig aus dem Rahmen zu fallen, sobald sie sich also nicht damit bescheiden, sich als angeheuerte SchlŠgertruppe oder Disko-Rauswerfer zu betŠtigen und es sie nicht mehr zufrieden stellt, stigmatisierte AuslŠnder im Halb-Verborgenen zu klatschen. Das Ausufern der Projektionen aber ist den Alten und ihrer Brut gemeinsam. Denn das, woran die ãpostindustrielle WissensgesellschaftÒ Anpassung verlangt, widerstrebt beiden zutiefst: Ausgerechnet das klassische Ha§bild des Faschismus, die Karikatur des BŸrgers als Couponschneider und Spekulant, personifiziert das Versprechen der ZukunftsfŠhigkeit von Gesellschaft. Ausgerechnet auf diese Gestalt richtet sich der mittlerweile unumwunden ausgesprochene Wunsch des Staates nach seinem IdealbŸrger: Autarker Selbstversorger und gleichzeitig nicht mehr als ein RŠdchen in der organischen Einheit von Arbeitsvolk und Kriegsstaat hat er zu sein. Je mehr gefordert wird, da§ ein jeder seines GlŸckes Schmied zu sein habe, um so mehr entfallen die Kriterien, nach denen einst das GlŸck erzwungen werden sollte: Die Ochsentour durch Behšrden und VerbŠnde, der protestantische Arbeitsethos, die Unterwerfung unter die Zumutungen der Massenarbeit, die dem StaatsbŸrger seine Existenz als vor Kapital und Staat gerechtfertigte erscheinen lŠ§t, die er sich durch seine Arbeitswilligkeit ãehrlichÒ erworben hat. Wo Millionensummen zumindest suggestiv in jedem Lebensalter von jedem eingestrichen, auf Tastendruck gemacht oder verloren werden kšnnen, gibt es keine RŸckversicherung, kein gerechtes Entgelt, sondern blo§e Panik. Der Gewinn ohne MŸhe, ja ohne Arbeit, rein durch Spekulation und GlŸck war und ist allen suspekt: Gefordert und gefšrdert wird heute aber genau der Typus, den der faschistische Staat an die Kandare zu nehmen versprach, wofŸr der FŸhrer von den Deutschen so geliebt wurde: Den in privater Absicht Geld scheffelnden, spekulierenden, staatsfernen BŸrger. Raus aus dem Osten Was der Staat also mit seinem Antifaschismus, mit der Eigenverantwortung und mit der qualifizierten Einwanderung fordert, widerspricht seiner historischen Bestimmung als ãVolksstaatÒ: Wenn Deutsch-Sein nur noch ein zunehmend schlechter alimentierter Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen bedeutet und nicht mehr als Synonym der ãschaffenden ArbeitÒ verstanden wird, dann entsteht faschistische ãSystemfeindschaftÒ. Der Ha§ gilt nun dem Staat, weil er ãUndeutschesÒ fšrdert, weil er Behinderte, Asylbewerber, jŸdische Kultureinrichtungen etc. mit den Mitteln fšrdert, die eigentlich dem jugendlich-gesunden Arbeitskšrper zuzukommen hŠtten Ð so erscheinen Behindertenschulen wie JŸdische Gemeinden als illegitime Nutznie§er des Staates. Und so kann heute zum Staatsfeind auch der werden, der eigentlich den totalen Staat fordert, welcher wiederum diesen Anspruch nur noch mit Repression beantworten kann, die sich selbst antifaschistisch verklŠrt. Diese Repression ist der Kern des neuen staatlichen Antifaschismus: Sein Programm ist ein illiberaler Liberalismus, der staatsbŸrgerliche LoyalitŠt nur bewirkt, indem dem Verfolgungs- und StrafbedŸrfnis der ãAnstŠndigenÒ nachgegeben wird. Diese wŸrden sich mit symbolischer Verfolgung bzw. ãLaw and OrderÒ zufriedengeben. Die jugendlichen Rechtsradikalen hingegen, die Verfolgung und Bestrafung in die eigenen HŠnde zu nehmen trachten, werden zum Objekt von ãLaw and OrderÒ und dienen so Ð wenn auch anders als von ihnen selbst intendiert Ð der všlkischen Erbauung. Diejenigen, die jetzt dem Antifaschismus zu ãgesellschaftlicher HegemonieÒ verhelfen wollen, beteiligen sich an diesem Kesseltreiben. Ein linksradikaler Anti-Postfaschismus aber mŸ§te den Kampf aufnehmen gegen das, was rechte Jugendkultur wie ãliberaleÒ Gesellschaft eint: Die scheinbare Naturhaftigkeit des gesellschaftlichen Scheiterns, die Personalisierung der Schuld an der erfahrenen †berflŸssigkeit. Angesichts der Alternative, die eigene †berflŸssigkeit mit Gewalt auf die ãMinderwertigenÒ zu Ÿbertragen (neofaschistische Variante) oder sie als Beweis individueller Minderwertigkeit der Jung-Nazis zu begreifen (staatsantifaschistische Variante) ist die Parteinahme fŸr die staatliche Variante selbst unter realpolitischen Gesichtspunkten absurd. Statt sich am volkspŠdagogischen Gro§experiment ãZivilgesellschaft OstÒ zu beteiligen, sollte man vielmehr vorbehaltlos die Forderung beispielsweise der in Rathenow zwangsuntergebrachten Asylbewerber unterstŸtzen, die nur eines wollen: Raus aus dem Osten. Indem der Staatsantifaschismus das škonomische Scheitern individualisiert, in Jugendarmut hie und 60-Wochenstunden start-up-Terror da zerlegt, lockert er das Blutsband zwischen nationaler Arbeit und totalem Staat. Darin kommt aber kein Fortschritt zum Ausdruck, weil der ãschlanke StaatÒ sich einerseits der faschistischen Sehnsucht nach personalisierter Verfolgung bedienen mu§, aber andererseits die Forderung nach staatlicher Anerkennung ãdeutscherÒ Arbeit nicht mehr Ð und schon gar nicht mehr generationsŸbergreifend Ð befriedigen kann: Die Raserei der vorgeblich ãsinnlosen GewaltÒ der Jung-Nazis wird so stets aufs neue angestachelt, um daraufhin den jugendlichen Sozialballast erneut zum Abschu§ freizugeben. Die Rolle einer verstaatlichten Antifa, die sich zur Belohnung an ihrer ãHegemonieÒ ergštzen darf, wŠre in diesem Spiel noch Ÿbler als die der sogenannten 68er-Generation. Dagegen aber das Recht der †berflŸssigen darauf zu behaupten, ihre lŠngst irre gewordene ãNŸtzlichkeitÒ Ð sei es durchs Aufklatschen von Schwachen, sei es durch galoppierende †beranpassung Ð NICHT mehr beweisen zu mŸssen, das Recht des Entwerteten auf das Schlaraffenland jenseits des €quivalententausches zu thematisieren, wŠre Aufgabe einer AntiPostfa. Uli Krug (Bahamas 33/2000) Ê Literatur: Pohrt,W., Ohne Flei§ kein Preis, in: Konkret 10/92 See§len,G., Tanz den Adolf Hitler. Faschismus in der populŠren Kultur, Band 1, Berlin 1994 See§len, G., Natural Born Nazis. Faschismus in der populŠren Kultur, Band 2, Berlin 1996 Ê