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nov/dez 00


Doc Holliday

Blut und Ehre

Militanter Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich und Deutschland. Einige Anmerkungen zum braunen Sumpf in unserer näheren Umgebung.

Die in der BRD nun schon beinahe ein halbes Jahr andauernde Diskussion über ein Verbot der vom deutschen Verfassungsschutz als »rechtsextremistisch« eingestuften Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), - bei Redaktionsschluß war noch keine definitive Entscheidung gefallen - sollte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es auch in Österreich eine einschlägige Szene gibt. In einem Lagebericht des Innenministeriums vom heurigen Frühjahr wird festgehalten, es seien in einigen Bundesländern wieder »rechtsextreme Strukturen zu erkennen, die auch eine intensive Vernetzung zu rechtsextremen Organisationen im Ausland aufweisen«. Darüberhinaus konstatiert die Stapo die Existenz von rechtsextremen Skinheadgruppen, »deren gewalttätige Aktivitäten in letzter Zeit bedenklich zugenommen haben«. Rechtsextremistische Delikte nehmen zu Der Rechtsextremismusbericht 1999 des Innenministeriums beziffert die Zahl der Anzeigen wegen NS-Wiederbetätigung, Verhetzung oder Holocaust-Leugnung mit 717, was im Vergleich zu 1998 (392 Fälle) einer Steigerung von 82,9 Prozent entspricht. Die Zahl der Tathandlungen (Brandanschläge, Friedhofschändungen oder Gewalttätigkeiten gegen Ausländer) stieg um 33,6 Prozent auf 378. Im wesentlichen erklären sich diese Ziffern aus einer einzigen Polizeiaktion vom Herbst 1999, bei der es einem Sondereinsatzkommando der Polizei in Linz und im Mühlviertel gelang, ein großes Skinhead-Netzwerk auszuheben. Im Zuge dieser Aktion wurden acht Mitglieder verhaftet und 102 Personen angezeigt, sowie erhebliche Mengen an Propagandamaterial, CDs von Neonazi-Bands, Waffen und Hakenkreuzfahnen beschlagnahmt. Die Linzer Staatspolizei geht davon aus, dass in Oberösterreich weiterhin etwa 200 Skinheads mit rechtsextremistischer Einstellung ihr Unwesen treiben. Neben dieser Glatzenszene existieren auch nach der Auflösung des berüchtigten Vereins ðDichterstein OffenhausenÐ immer noch Hardcore-Neonazigruppen im Hoamatlond. Etwa ein ðFörderwerk Junge FamilienÐ mit einem Postfach in Marchtrenk. Im heurigen Sommer mobilisierte diese Vereinigung zu einer Demonstration, die am 5. August in Freilassing hätte stattfinden sollen. Die Grenzstadt zu Salzburg war nicht ohne Grund gewählt worden. Auf Initiative von bayerischen Neonazis vom ðNationalen WiderstandÐ, und, unterstützt durch die NPD, wollten die Kameraden ihren Protest gegen die EU-ðSanktionenÐ mit Parolen wie »Stoppt die EU-Diktatur« und »Schluss mit dem Österreich-Boykott« zum Ausdruck bringen. Bei der Absicht blieb es denn auch, da die Behörden den Aufmarsch kurzfristig verboten. NPD - Sammelbecken auch für österreichische Kameraden Die 1964 gegründete NPD ist mit ihren ca. 6000 Mitgliedern die wichtigste rechtsextreme Organisation Deutschlands. Seit der Regierungsbeteiligung der FPÖ, wurde die NPD nicht müde, ihre Unterstützung für die Waldheimat zu bekunden. Am 12. März dieses Jahres rief die Partei unter der Parole »Nationale Solidarität mit Wien - Wir sind ein Volk« zu einer Demo in Berlin auf. Das Parteipräsidium stellte fest, es handle sich bei den ðSanktionenÐ um eine »international organisierte Verschwörung mit dem Ziel, die Eigenständigkeit und demokratische Selbstbestimmung aller europäischen Staaten, insbesondere auch der Staaten deutscher Nation, zu beseitigen.« Solch unverfrorener Klartext war dann manchem Kameraden aus der ðOstmarkÐ zuviel des ðGutenÐ. Der Salzburger Rechtsextremist Christian Rogler sah sich veranlasst einen offenen Brief an seine Parteigenossen zu schreiben. Darin warf er ihnen vor ein Verhalten an den Tag zu legen, »das möglicherweise geeignet ist, Mitglieder und Sympathisanten der Partei in Österreich umfangreichen staatlichen Repressionsmaßnahmen auszusetzen.« Der gelernte Jurist kritisierte nicht das Thema der Kundgebung an sich, sondern erkannte ob des verfänglichen Datums – am 12. März 1938 annektierte Nazi-Deutschland Österreich(!) –, dass sich heimische NPD-Freunde nach dem NS-Verbotsgesetz strafbar machen würden. Am 30. März war bei Rogler tatsächlich eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Im Rechtsextremismusbericht des Innenministeriums heißt es über den Salzburger, der auch als Redner bei Parteitagen und Autor im NPD-Organ ðDeutsche StimmeÐ in Erscheinung getreten war: »Er hat offen zum Rassenhass aufgerufen, die Kriegsschuld Hitler-Deutschlands geleugnet sowie den Holocaust und andere NS-Greueltaten verharmlost und verniedlicht.« Inzwischen bezeichnet sich der ehemalige Burschenschafter (ðOlympiaÐ) als Ex-NPD-Mitglied. Nachdem er sich distanziert habe, sei er für die Partei gestorben. Jetzt möchte der Salzburger nur mehr dem SK Rapid beitreten. Die NPD betrachtet Österreich seit einer entsprechenden Ankündigung vom Oktober 1999 als ein neues Agitations- und Rekrutierungsgebiet. Eine Weile unterhielt die Partei etwa ein Konto in Braunau, das inzwischen von der Bank aber gekündigt wurde. Neben Rogler wirkten in der Vergangenheit etliche weitere Österreicher im Dunstkreis der NPD. So publizierte auch Helmut Müller, der ehemalige Chefredakteur von ðZur ZeitÐ in der ðDeutschen StimmeÐ. Die Wochenzeitung ðZur ZeitÐ wird bekanntlich inzwischen wieder vom Kärntner FPÖ-Kulturbeauftragten Andreas Mölzer geleitet. Skins, Hools und das Internet Vorauszuschicken ist, dass nicht alle Skinheads rechtsextreme Einstellungen an den Tag legen. Es gibt sogar eine kleine Minderheit von dezidiert antirassistischen und linken Skins. In den 80er Jahren versuchten Neonazis von der Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) Gottfried Küssels, unter den aggressiven Glatzen und den Fußball-Hooligans - die Szenen überschneiden sich teilweise - Nachwuchs zu rekrutieren. In der BRD stellen seit Anfang der 90er die Kahlköpfe bei rechten Aufmärschen das kampfbereite Fußvolk. Die radikalste, weil offen nationalsozialistisch eingestellte Skinhead-Vereinigung heißt ðBlood and HonourÐ (B & H). Arbeitsschwerpunkt der Recken ist die Abwicklung von Skin-Konzerten. Diese dienen einerseits zur Mitgliederwerbung, andererseits stellt der lukrative CD-Handel, vor allem auch über das kaum kontrollierbare Internet, ein einträgliches Millionengeschäft dar. In Österreich bestehen mindestens zwei B & H-ðDivisionen OstmarkÐ: In Wien (mit etwa 15 bis 20 Mitgliedern) und in Vorarlberg. Eventuel00l existieren auch in Tirol und Oberösterreich Sympathisanten. Zwei Ausgaben der B & H-Zeitschrift sind bislang erschienen (die letzte vor etlichen Monaten). Weiters betreibt B & H-Österreich eine Homepage, die schon länger nicht mehr aktualisiert wurde. Als Kontaktadresse fungiert ein Postfach in Ungarn. In Deutschland bilden 240 Mitglieder den harten Kern der Bewegung, die mit anderen Nazigruppen international vernetzt ist. So etwa mit ðCombat 18Ð (die Ziffern stehen für die Stellung der Buchstaben im Alphabet: also A & H = Adolf Hitler!), einer in England notorischen Hooligan-Gang. Die ideologische Basis von B & H-Aktivisten auf der ganzen Welt bildet ein eliminatorischer Antisemitismus und die Notwendigkeit eines ðheiligen RassenkriegesÐ.